Das HND BW führte am 27. und 28. September 2018 ihre zweite Jahreskonferenz an der Hochschule Karlsruhe durch. Dozierende, Vertreterinnen und Vertreter von Hochschulleitungen sowie Mitglieder von E-Learning-Servicestellen trafen sich zum Austauschen, Vernetzen und Weiterdenken.

Im Fokus der mit 130 Teilnehmenden gut besuchten Konferenz lagen die Arbeitsergebnisse der Projekte des baden-württembergischen Förderprogramms „Digital Innovations for Smart Teaching – Better Learning“ und der Themengruppen des HND BW. Die Konferenz, die gemeinsam mit dem Leibniz Institut für Wissensmedien durchgeführt wurde, stand unter dem Motto „Von der Digitalen Innovation in die Lehrpraxis“ und ging der Frage nach, wie eine innovative Lehranwendung ihre Nutzer erreicht. Denn was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, erweist sich in der Praxis oft als schwierig. Viel zu oft verschwinden vielversprechende Projekte nach der Entwicklung wieder in der Versenkung. Die Community befasste sich somit mit der Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Lehrinnovation ihren Weg in den akademischen Lehrbetrieb findet. Welche Strukturen aufgebaut werden müssen, welche Ressourcen benötigt werden und wie hochschulartenübergreifend die Digitalisierung von Lehre und Studium an den baden-württembergischen Hochschulen gestaltet werden kann. Keynotespeaker Prof. Dr. Heribert Nacken von der RWTH Aachen University machte schon zu Beginn der Konferenz darauf aufmerksam, dass ein systematisches Nachdenken über die sinnvolle Einbindung und Verstetigung digitaler Innovationen in den eigenen Lehrbetrieb keine bloße Fingerübung ist. Aus seinen Erfahrungen als Rektoratsbeauftragter für „Blended Learning und Exploratory Teaching Space“ an der größten deutschen Universität für technische Studiengänge leitete er die These ab, dass innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre eine Hochschule um eine Digitalisierungsstrategie nicht mehr herum komme. Mit Blick auf die zukünftigen Formen des Lehrens und Lernens würde das alte Modell der One-to-Many-Distribution von Wissen deutlich zu kurz greifen. Um die junge Generation als „Kunden“ nicht zu verlieren, sei es vielmehr unerlässlich, auf Basis von Interaktion und Kollaboration Formen des Lernens zu fördern, die multiple Sichtweisen aufgreifen und mit unterschiedlichen Ansätzen operieren.

Nach dem Vortrag von Prof. Nacken bekamen die Teilnehmer Best-Practice-Beispiele in Form der erfolgreich durchgeführten Smart Teaching Projekte präsentiert. Die Ergebnisse der Projekte gaben den Teilnehmern neue Impulse in Themenfeldern wie etwa Virtuelle Labore, Learning Analytics, Adaptives Lernen, Mobile Learning, E-Tutoring oder Open Educational Resources (OER). Mit Inhalten aus der Soziologie, Medizin, Informatik, Elektrotechnik oder den Agrarwissenschaften bildeten die Projekte darüber hinaus auch fachlich die Bandbreite des akademischen Lehrbetriebs ab und regten zugleich durch das Auslaufen ihrer Projektzeiten zum Nachdenken über die Nachhaltigkeit solcher innovativen Projekte und der Gestaltung des Digitalisierungsprozesses in Baden-Württemberg an. Prof. Dr. Peter Henning brachte dies mit seiner Aussage, „Wir haben hier in den letzten beiden Tagen viele tolle Digitalisierungsprojekte mit großem Potenzial gesehen. Trotzdem ist deren Zukunft ungewiss. Das muss aufhören“, auf den Punkt. In den zwei Konferenztagen wurde deutlich, dass der Weg von der Entwicklung hin zur Anwendung eben kein Selbstläufer ist, sondern die Implementierung in den Lehrbetrieb häufig auf Hindernisse stößt. Gründe hierfür können etwa unzureichende personelle, zeitliche und finanzielle Ressourcen oder auch Faktoren wie eine geringe Bekanntheit der Angebote sein. Im Laufe der Konferenz wurde erwartungsgemäß auch die Frage der Finanzierung von digitalen Neuentwicklungen und deren Verstetigung diskutiert. Hier erweiterte sich die Perspektive von der Hochschulstrategie automatisch in Richtung Landesstrategie. Denn nicht alle Podiumsteilnehmer konnten der Auffassung von Prof. Nacken folgen, dass erfolgreiche Digitalisierung keine Frage des Geldes sei. Die Vertreter insbesondere der kleineren Hochschulen sahen externe Mittelzuwendungen vielmehr als notwendig an und unterstrichen damit die Bedeutung des MWK für die Ermöglichung neuer Digitalisierungsinitiativen im Land. Dass Geld alleine aber keine hinreichende Bedingung für Fortschritt sei, darüber herrschte bei allen Beteiligten Einigkeit.

In den unterschiedlichen Formaten, wie Kurzvorträge, Workshops, Postersessions, App-Demonstrationen oder Podiumsdiskussionen, konnte gezeigt werden, wie Hochschullehre neu gedacht werden kann und welches Innovationspotenzial digitale Medien für die Weiter-entwicklung des akademischen Lernens bieten. Die Frage, wie es gelingen kann, dass innovative Projekte flächendeckend ihren Weg in den Regelbetrieb schaffen, blieb jedoch offen, denn dazu bedarf es einer Klärung und Veränderung auf hochschul- und landes-politischer Ebene. Es ist allerdings gelungen einmal mehr die enorme Bedeutung der hochschulartenübergreifenden Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung der digitalen Lehre deutlich zu machen und damit auch den Nutzen des Netzwerks für Baden-Württemberg herauszustellen.

Die zweite Jahreskonferenz wurde sehr gut angenommen und die Beteiligung an den Jahrestagungen reichte über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus. Der Wunsch nach einer regelmäßigen Durchführung eines solchen Formats wurde von Seiten der Teilnehmenden geäußert. Aus diesem Grund wird auch im Jahr 2019 eine dritte Jahreskonferenz stattfinden.

                          

Nachberichte einzelner Workshops

Hochschulstrategie digital – Digitalisierung der Lehre als strategische Zielsetzung

Durchführende: R. Röwert (Stifterverband), U. Ehlers (DHBW), G. Gidion (KIT)

Der digitale Wandel eröffnet Hochschulen neue Potenziale zur Weiterentwicklung ihrer Profile, Strukturen und Angebote und dabei ganz besonders auch des hochschulischen Lehrens und Lernens. Hochschulen brauchen daher übergeordnete Strategien für das digitale Zeitalter, um zeitgemäße Lehr- und Lernangebote sowie bedarfsgerechte Studienstrukturen, Curricula und Unterstützungsangebote an den Zielen der Hochschulentwicklung, den Zielgruppen der Hochschule und ihren Kooperationsstrategien auszurichten. In seinem Eröffnungsvortrag betonte Prof. Dr. Ehlers, dass es einen einheitlichen Weg, dem digitalen Wandel zu begegnen, aufgrund der Heterogenität der deutschen Hochschulen und der Vielfalt digital gestützter Lehr- und Lernszenarien dabei kaum geben kann.

Dieser Workshop richtete sich speziell an Hochschulleitungen und verfolgte das übergeordnete Ziel den Teilnehmenden den Raum zu bieten, um sich über konkrete Möglichkeiten zur Strategieentwicklung für einzelne Hochschulen auszutauschen und zu eruieren, inwiefern eine landesweite Strategie diesen Entwicklungsschritt unterstützten kann.

Prof. Dr. Ehlers nutzte die Gelegenheit in der ersten Hälfte des Workshops zentrale Neuigkeiten aus dem Bundesprogramm zur Peer-to-Peer-Strategieberatung des Hochschulforum Digitalisierung zu berichten:

5 zentrale Erfahrungen wurden dabei geteilt:

  1. Grundlagen der Strategieentwicklung schaffen,
  2. Ziele und Leitlinien formulieren,
  3. Entscheidungsfindung und Partizipation ermöglichen,
  4. Lehrende informieren und motivieren,
  5. Strukturentscheidungen treffen.

Daran anknpüfend stellte Ronny Röwert vom Stifterverband die kurz vor der HND BW Jahrestagung veröffentlichte Ausschreibung für die Peer-to-Peer-Beratung zu Strategien für Hochschulbildung im digitalen Zeitalter in Baden-Württemberg (StraDi-BW) vor.

Moderiert von Prof. Gidion wurde anschließend in kleineren Arbeitsgruppen diskutiert, welche Themen die Digitalisierung auf Ebene der Landeshochschulpolitik aufgreifen sollte.

Die Themensammlung enthielt u.a.:

  1. Auslagern von Grundfunktionen, z.B. rechtliche Regelungen, gemeinsam nutzbare e-Learning-Angebote, Ausschreibungen für die technische Ausstattung der digitalen Lehre
  2. Mitgestalten der politischen Agenda Gemeinsames Auftreten der Hochschulen gegenüber dominierenden digitalen Akteuren wie iTunesU oder Coursera
  3. Beitritt zu digitalem Hochschulverbund (wie der Virtuellen Hochschule Bayern)
  4. Landesweite Möglichkeiten zu Fortbildungen in eLearning und Didaktik (unterstützt durch HDZ?)

 

Learning Analytics Toolkit: Potentiale von Daten aus dem Bildungskontext für die Hochschulen in Baden-Württemberg

Durchführende: D. Ifenthaler (Uni Mannheim)

Ziel des Workshops war, die Potentiale von Daten aus dem Bildungskontext für die Hochschulen in Baden-Württemberg herauszuarbeiten. Der Workshop konnte erste Grundlagen für ein Anforderungsprofil für die Entwicklung eines Learning Analytics Toolkit erarbeiten. Der Fokus des Learning Analytics Toolkit für Hochschulen in Baden-Württemberg liegt in der Umsetzung einer technischen Infrastruktur vor dem Hintergrund institutioneller und pädagogischer Nutzen. Aus institutioneller Sicht ist ein zentrales Potential die Reduktion von Studienabbrechern, aus pädagogischer Sicht steht die lernprozessbegleitende Unterstützung von Lernenden und Information der Lehrenden im Vordergrund. Grundlegende Anforderungen des Datenschutzes müssen bei der Implementation des Learning Analytics Toolkit eingehalten werden. Die Themengruppe Learning Analytics im HNDBW arbeitet an diesen Fragestellungen und möchte mit Pilotprojekten die Gelingensbedinungen eines Learning Analytics Tookit evaluieren.

 

App Kitchen – Einblicke in die Entwicklung von MyMi.mobile

Durchführende: D. Brandt, C. Braun, B. Eichner, F. Hengge, J. Krefting, K. Langer-Fischer, M. Schmucker, S. Britsch (alle Universität Ulm), B. Heimrich (Universität Freiburg), Studierende der Universitäten Ulm und Freiburg

In Kooperation mit der Universität Freiburg haben wir auf Basis der Ulmer eLearning App MyMi.mobile eine adaptive digitale Lernumgebung entwickelt, die es Medizinstudierenden ermöglicht, mikroskopische Anatomie über einen personalisierten Zugang mittels interaktiver Lernpfade zu erlernen. Merkmale individuellen Nutzungs- und Lernverhaltens werden systematisch analysiert (learning analytics), multimodal (z.B. eCoaching) als Feedback bereitgestellt und das digitale Lernangebot an die Bedürfnisse des Nutzers individuell angepasst (adaptive learning). Durch dieses neue Digitale Lernangebot sollen individuelle Lernbegabungen Studierender systematisch identifiziert, entwickelt und dadurch persönlicher Studienerfolg besser gefördert werden.

Im Workshop „App Kitchen – Einblicke in die Entwicklung von MyMi.mobile“ der Jahreskonferenz des HND BW vom 27.-28.09.2018 wurden verschiedene Aspekte bei der Entwicklung eines innovativen digitalen Lernangebots aus den unterschiedlichen Arbeitsbereichen beleuchtet. Besucher des Workshops konnten Mitarbeitern aus den Bereichen „Autoren- und Anwenderperspektive“, „Datenschutz“, „studentische Partizipation“, „Learning Analytics und Adaptivität“, „eTutoring“ sowie „Nachhaltigkeit“ Fragen stellen und mit diesen diskutieren. Am Tisch „Autoren und Anwenderperspektive“ wurde beispielsweise diskutiert, wie bei der Entwicklung einer App die Balance aus „was ist zeitlich, personell und finanziell machbar“ und „was ist gewünscht“ gefunden werden kann. Ebenso wurde darüber gesprochen wie das Trainieren von visueller Kompetenz – wichtig für den späteren Arztberuf, in einer App umgesetzt werden kann.

Zusammenfassend ließ sich aus Autorenperspektive schlussfolgern, dass sowohl eine enge Zusammenarbeit zwischen Dozenten und Studierenden bei der Entwicklung als auch mit IT- sowie GUI-Fachleuten absolut notwendig sind, um eine hohe Akzeptanz, moderne IT-Infrastruktur sowie ein klares responsives Design für das Projekt zu erzielen. Die IT-Infrastruktur war ebenfalls Bestandteil des Workshops. Hier galt das Interesse vor allem einer modernen Verschlüsselung der Inhalte in der Kommunikation verschiedener Komponenten, der Integration einer Learning Analytics Plattform und der Funktion eines adaptiven Systems, welches sich laufend an die Studierenden und deren Wissensstand anpasst. Die wichtige Rolle der studentischen Partizipation wurde deutlich in der Präsentation der „Student Advisory Group“ (SAG). Neben der studentischen Sicht auf die Dinge hat die SAG auch beim Erstellen von Inhalten, beispielsweise Video Tutorials, mitgewirkt. Hierzu konnte bereits ein erstes Feedback von Lernenden präsentiert werden. Spannend war auch die Diskussion um Nachhaltigkeit einer digitalen Lernplattform. Themen waren hier unter anderem die Erweiterung des bestehenden Lehrangebots um histopathologische Präparate, um weitere (klinische) Ausbildungsabschnitte und Prüfungen in die App einzubinden. Bei der Diskussion, die App als Grundlage für online Klausuren einzusetzen, wurde klar, dass hierfür infrastrukturelle sowie datenschutzrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, ebenso wie bei der Einführung als digitale Lernplattform/Lehr- und Lernsystem. Was hier genau zu beachten ist, wurde am Tisch „Datenschutz“ durchgesprochen. Die Voraussetzungen, Notwendigkeiten und Vorteile eines umfangreichen eTutoren- Systems, bei dem Studierende aus höheren Semestern jüngeren Studierenden mit Hilfe moderner Kommunikationstechnologien bei Problemen oder Fragen helfen können, wurde am Tisch „eTutoren“ erörtert.