Am 23. September 2019 trafen sich zur dritten Jahreskonferenz des Hochschulnetzwerks Digitalisierung in der Lehre Baden-Württemberg (HND BW) Mitglieder, Dozent*innen und Vertreter*innen von Hochschulleitungen in den Tagungsräumlichkeiten campus.guest der Universität Stuttgart. Die Veranstaltung wurde vom Hochschulforum Digitalisierung und dem Stifterverband organisatorisch und inhaltlich  mitbegleitet.

Im Fokus der mit rund 150 Teilnehmenden gut besuchten Konferenz standen die Herausforderungen der Entwicklung von Hochschulstrategien und fachspezifischen Handlungsansätzen im Bereich Studium und Lehre im Zeitalter der Digitalisierung. Hochschullehre muss mit neuen Formaten, Kompetenzen und Inhalten den Bedarfen einer digitalisierten Arbeitswelt und offener Bildungszugänge sowie strategischen Zielsetzungen wie Internationalisierung und Flexibilisierung begegnen. Dies erfordert neben der notwendigen Infrastruktur vor allem die entsprechende Qualifizierung und Vor-Ort-Beratung der Lehrenden, die Entwicklung und Bereitstellung digitaler Lernressourcen sowie die Schaffung rechtlicher Sicherheit, wie Dr. Simone Rehm, Prorektorin für Informationstechnologie (CIO) an der Universität Stuttgart, in der Begrüßung hervorhob.

Keynote von Philipp Riederle: Erwartungen von Digital Natives an moderne Hochschulen

Einen Einblick in die Erwartungen von Digital Natives an moderne Hochschulen gewährte der Student, Autor und digitale Aufklärer Philipp Riederle in seiner Keynote „Wer wir sind und was wir wollen“ mit seiner Vision eines offenen Studienportals für akademische Angebote unterschiedlicher Formate im Baukastensystem. Anstelle ressourcenaufwändiger Präsenz-Vorlesungen könnten so u.a. interaktiv gestaltete digitale Formate hochschulübergreifend und qualitätsgesichert verfügbar gemacht werden. Einschränkend stellte Philipp Riederle fest, dass für „Digital Natives“ (die nach 1980 geborenen Generationen Y und Z) die Nutzung digitaler, audiovisueller und sozialer Medien nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch im Kontext informellen Lernens zwar selbstverständlich ist, es vielen dennoch an Kompetenzen in Bereichen wie Medienproduktion bzw. virtuellem Lernen und Arbeiten fehlt. Um zu „Digital Professionals“ mit den entsprechenden Skills zu werden, müssen sie sich diese Kompetenzen genau wie die analog sozialisierten „Digital Immigrants“ aktiv aneignen.

StraDiBW – Einblick in die Strategieprozesse der geförderten Hochschulen

Dass die Digitalisierung der Lehre ein strategisch wichtiges Thema für Hochschulleitungen ist, zeigte sich an der hohen Anzahl an eingegangenen Bewerbungen für das Förderprogramm StraDi-BW. Vertreter*innen der vier Gewinnerhochschulen Universität Mannheim, PH Weingarten,  DHBW und HS Albstadt-Sigmaringen berichteten über ihre durchwegs sehr positiven Erfahrungen aus der Strategieberatung sowie abgeleiteten Maßnahmen zu einer profilorientierten und nachhaltigen Umsetzungsplanung. In der ergänzenden StraDi-BW-Posterausstellung bestand für alle Konferenzteilnehmer die Möglichkeit, sich mit den Vertreter*innen der vier Hochschulen über diese ersten Projektergebnisse auszutauschen.

Fachspezifische Handlungsansätze

Im Kontext der digitalen Transformation müssen Hochschulen, Hochschulpolitik und Fördergeldgeber in den nächsten Jahren gemeinsam Herausforderungen angehen, zum einen mit Blick auf die Entwicklung der jeweiligen Hochschule, z.B. unter Verwendung eines vorgestellten Benchmarking-Tools, zum anderen mit Blick auf hochschulübergreifende Themen, die einzelne Hochschulen alleine nicht erfolgversprechend angehen können.

In vier parallelen Workshops wurden von den Teilnehmenden Lösungsansätze zu spezifischen Herausforderungen der Themenfelder Strategieentwicklung (Moderation: Prof. Dr. Gerd Gidion, ZML KIT und Prof. Dr. Johannes Moskaliuk, IWM Tübingen), Digitale Lehre in MINT-Fächern (Moderation: Dr. Tatyana Podgayetskaya und Dr. Katja Derr, DHBW Mannheim und Dr. Gisela Hillenbrand, HAW Offenburg), Medienbildung im Lehramtsstudium (Moderation: Dr. Axel Blessing, PH Schwäbisch Gmünd, Susanne Krauß, PH Ludwigsburg; Dr. Erika Ladurner, PH Weingarten; David Lohner, KIT) sowie Digitale Weiterbildung (Moderation: Dr. Thomas Jechle, HFU Akademie) erarbeitet. Weitreichende Einigkeit erzielten die Teilnehmenden aller Workshops dabei u.a. im Hinblick auf die erforderliche Stärkung von Ressourcen und personellen Strukturen durch Verstetigungen vs. befristeter Projektstellen zur Kompetenzerhaltung bzw. -erweiterung sowie eines erweiterten und sich verändernden Rollenverständnisses von Lehrenden und Lernenden.

Digitale Transformation: Eine Aufgabe der Gesellschaft, der Hochschulen und der Politik

Weitere Impulse zur Strategieentwicklung erhielten die Teilnehmenden durch Florian Rampelt, Stellv. Leiter der Geschäftsstelle des Hochschulforums Digitalisierung / Stifterverband. Da es sich bei der „Digitalisierung“ um eine umfassende Digitale Transformation in Arbeitswelt und Gesellschaft handelt, die weit über die Frage nach Online-Lernangeboten hinausgeht, haben Hochschulen keine andere Wahl als sich aktiv und umfassend damit auseinanderzusetzen. Die Herausforderungen, der sich Hochschulen und Lernende angesichts einer durch die Digitalisierung geprägten Gegenwart und Zukunft gegenübersehen, können nicht mit den Methoden, Kompetenzen und Rollenbildern von gestern bewältigt werden. Dabei soll das Funktionierende und Bewährte allerdings nicht aus dem Auge gelassen werden. Damit der „digitale Wandel“ wirksam durch Hochschulen mitgestaltet werden kann, muss er von allen Akteuren als gemeinsame Aufgabe mitgetragen und kollaborativ angegangen werden.

Staatssekretärin Petra Olschowski vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg betonte in ihrem Statement die Notwendigkeit der dauerhaften und nachhaltigen Finanzierung von Maßnahmen über den Hochschulfinanzierungsvertrag.

In einer Podiumsdiskussion erörterten Dr.-Ing. Ellen Fetzer (Vertreterin der HAWs im HND BW), Prof. Dr. Angelika Storrer (Prorektorin Studium und Lehre an der Universität Mannheim), Prof. Dr. Alexander Wanner (Vizepräsident für Lehre und akademische Angelegenheiten am KIT) und Prof. Dr. Susanne Weissman (Vizepräsidentin der Technischen Hochschule Nürnberg) die Frage „E-Learning ist tot. Es lebe die Digitalisierung?“. Ein Anliegen aller Beteiligten war die Vorbereitung der Studierenden auf die digitale Welt durch adäquate Lehr-Lernszenarien, -formate und -inhalte.

Drei Jahre HND BW: Rückblick und Ausblick

Einen Rückblick auf sichtbare Ergebnisse aus drei Jahren HND BW und einen Ausblick auf eine mögliche Fortsetzung des Netzwerks gaben abschließend Dr. Simone Rehm und Prof. Dr. Alexander Wanner. Das Thema Digitalisierung in der Lehre in BW hat durch die Arbeit des Netzwerks bundesweite Sichtbarkeit erlangt und ist ein strategisch wichtiges Thema für Hochschulleitungen geworden. Im Bereich OER ist Baden-Württemberg durch den nachhaltigen Aufbau des ZOERR der UB Tübingen bundesweiter Vorreiter. In Bezug auf die Qualifizierung von Lehrenden konnten durch die hochschulartenübergreifende virtuelle Ringvorlesung mehr als 450 Teilnehmende für das Thema „Digitale Lehre“ sensibilisiert werden. In insgesamt sieben Themenbereichen wurden Empfehlungen erarbeitet, von denen drei in Förderinitiativen des MWK gemündet sind.

Nach der dreijährigen Projektphase als hochschulartenübergreifendes Netzwerk wird das HND BW seine Arbeit fortsetzen und dabei neue Wege ausloten: Nach dem Auslaufen der Förderung durch das MWK haben die Landesuniversitäten die Weiterfinanzierung der Geschäftsstelle zugesagt. Diese wird voraussichtlich bis Ende des Jahres von der LRK in Stuttgart an das KIT überführt und dort ab 2020 für zunächst weitere drei Jahre die Vernetzungsaktivitäten übernehmen.